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  • AutorenbildSandy Naake

Mein Vonnalooh-Erlebnis in Panama

Aktualisiert: 21. Jan. 2019

Vonnalooh heißt für mich, über sich hinauszuwachsen. Ich bin eher der hyggelige Typ. Doch dann ging ich in den Dschungel...

 

Mit Vonnalooh auf den Spuren der Konquistadoren


In Panama bloggte ich Anfang 2018 für Cultour Panama. Eine Tour des Reiseveranstalters folgt den Spuren der Konquistadoren vier Tage und rund 45 Kilometer durch den Dschungel. Rund 200 Jahre lang passierten Glücksritter aus aller Herren Länder, Sklaven und Maulesel den Camino Real (Königsweg). Das in Südamerika eroberte Gold transportierten sie vom Pazifik zum Atlantik, um es auf spanische Schiffe zu laden. Als die spanische Kolonialmacht ihren geopolitischen Einfluss verlor, versank die 100 Kilometer lange Handelsroute in den Dornröschenschlaf. Seit 2008 erkundet eine Forschungsgruppe um Christian Strassnig, Inhaber von Cultour Panama, den ursprünglichen Verlauf des Camino Real. Und so begab ich mich aus meiner Komfortzone in den dichten Regenwald.


Ein Mann aus Quebrada Ancha in Panama steuert gekonnt einen kleinen motorisierten Einbaum auf dem Alajuela-See.
Ismael ist unser "Kapitän".

Die erste Etappe ist hyggelig

Wir starten unsere Tour an einer Anlegestelle am Alajuela-See, die eine Autostunde von der quirligen Hauptstadt Panama-Stadt liegt. Ismael holt uns an der ab und wir steigen in einen grün-orangefarbenen getünchten, motorisierten Einbaum. Nach 20 Minuten Fahrt erreichen wir Quebrada Ancha. Das Dorf ist nur über den See zu erreichen.


In Quebrada Ancha angekommen, öffnet Esteban gekonnt mit einer Machete Kokosnüsse. Das leicht süßliche Kokoswasser erfrischt uns. Isabel, die Frau von Ismael, bereitet uns ein köstliches Mahl zu: frisch gefangener Tilapia, Reis und Bohnen. Dazu trinken wir frisch gepressten Grapefruitsaft. Einige Mädchen und Jungen des Dorfes haben sich schick gemacht und führen traditionelle Tänze auf.

Wir gehen die Camino-Real-Tour langsam an und erkunden die alte Handelsroute. Immer wieder entdecken wir altes Kopfsteinpflaster. Wir lernen auch das Dorf besser kennen. Die Menschen von Quebrada Ancha verstehen sich als die Hüter des Chagres-Nationalparks. Sie wirtschaften nachhaltig, züchten Bienen, bauen Kaffee an.


Wir kehren zurück und schlagen unser Nachtlager auf. Wir stellen Zelte auf, blasen Luftmatratzen auf, hängen Hängematten auf und fallen in einen tiefen Schlaf.


Vonnalooh kommt schneller als man glaubt

Am nächsten Morgen krakeelt ein Hahn lauter als der andere. An schlafen ist nicht mehr zu denken. Wir stärken uns mit Spiegeleiern, Patacones (frittierte Kochbananen) und Kaffee. Ich trage großzügig Sonnencreme Lichtschutzfaktor 50 auf und diesel mich mit Insektenspray ein Nicht unbedingt ein Duft für ein Date. Aber das ist jemandem schon bald ziemlich egal…

Um 8:30 Uhr geht es los. Fünf Stunden über Weiden und Wiesen in der prallen Sonne. Für mich total herausfordernd!

Eine Kuh schaut auf einer Wiese am Camino Real der Fotografin treuherzig in die Augen. Im Gegensatz zu Kühen, wie man sie hier kennt, haben sie große, hängende Schlappohren.
Immer wieder säumen Kühe unseren Weg. „Ich schau dir in die Augen, Kleines“, und bin ganz verliebt in den Blick dieser Kuh.

Die Dorfbewohner von Quebrada Ancha haben uns ungewöhnlichen Proviant mitgegeben: reife Zuckerrohrstangen. Holzartige Fasern durchziehen das Innenleben des Zuckerrohrs. Wie soll ich das essen? Es ist einfacher als gedacht. Ich muss nur den Zuckerrohrsaft aus den Fasern lutschen. Dieser Snack puscht mein Energielevel nach oben. Ein wahres Vonnalooh-Food! Nun steht dem nächsten Anstieg nichts mehr im Wege. Bei diesem Anblick hat sich die Anstrengung echt gelohnt!

Eine junge Frau lehnt sich an einem Baumstamm. Der Ausblick auf den Alajuela-See ist atemberaubend.

Mittagspause! Wir essen Hühnchen, Reis und Bohnen. Einige aus unser Gruppe verlassen uns. Sie setzen die Tour auf einer anderen Route fort. Nun werden mich die einheimischen Guides Molinar und Euginio sowie Alicia und Irene aus Argentinien auf dem Camino Real begleiten. Alle vier können kein Englisch. Und ich kein Spanisch. Das kann ja heiter werden.

Die kommenden Stunden waten wir durch Matsch.

Zwei Männer und zwei Frauen stehen auf einer Anhöhe des Camino Real in Panama. Im Hintergrund ist der Alajuela-See zu sehen, dessen Wasser den Panama-Kanal speist.
Euginio, Molinar, Irene und Alicia (von links)


Zwei Frauen inspizieren neugierig die offene Feuerstelle einer spartanischen Küche, die einsam im Regenwald am Camino Real liegt.
Neugierig inspizieren Irene und ich die spartanische Küche.

Knöcheltief sinke ich bei jedem Schritt ein. Gegen 18:30 Uhr erreichen wir unser Domizil für die Nacht. Unser Gastgeber ist Pascal. Er lebt in einer einfachen Holzhütte. Es ist alles vorhanden, was der Mensch zum Überleben braucht.


Wir gehen wir zum nahegelegenen Fluss, um uns den Dreck und Schweiß des Tages abzuwaschen. Das Bad ist unglaublich erfrischend. Langsam dämmert es, Glühwürmchen tanzen am Ufer. Zikaden läuten mit ihrem Gesang die Nacht ein.


Gut, dass wir unsere Stirnlampen haben. Als ich auf meine Hose leuchte, um sie wieder anzuziehen, muss ich schreien. Eine Spinne so groß wie eine Untertasse hat es sich dort gemütlich gemacht. Panisch schüttele ich sie ab. Nicht nur die Spinne strapaziert mein Nervenkostüm. Pascal hat in einem kleinen Käfig eine Ratte eingesperrt ist. Eine RATTE. Ratten sind für mich die ekeligsten Tiere ever. Warum sich Pascal eine Ratte hält? Ich will es nicht wissen. Der Tag heute hat mich an meine Grenzen gebracht. Erschöpft schlafe ich ein.


Vonnalooh geht in die nächste Etappe


Kikeriki, kikeriki, kikeriki – wohlbekannte Geräusche wecken uns auch am 3. Tag unserer Tour. 6 Uhr, Zeit aufzustehen! Brot, Käse und Chorizo „versüßen“ uns den Tagesanfang.

Drei Frauen und ein Mann stehen in einer spartanisch eingerichteten Holzhütte und schauen freundlich in die Kamera.
„Bitte lächeln!“ Bevor wir Pascal verlassen, schießt Molinar noch ein Erinnerungsfoto.

Weiden und Wiesen sind passé, der Camino Real führt uns durch schattenspendenden Regenwald. Wir durchqueren unzählige Flussbetten, steigen im flachen Wasser vorsichtig über moosbewachsene Steine. Wir kraxeln verschlammte Berge hoch, waten durch tiefen Matsch, steigen über Stock und Stein, schlängeln uns auf glitschigen, engen Pfaden entlang. So muss sich Indiana Jones gefühlt haben.


Molinar geht furchtlos voran. Mit einer Machete kämpft er den Weg frei, falls Äste und Schlingpflanzen diesen unpassierbar machen. Er hält Augen und Ohren offen, falls gefährliche Tiere unseren Weg kreuzen sollten. Euginio ist der Letzte im Bunde. Er achtet darauf, dass keiner zurückbleibt. Sie schlagen uns Stöcke zurecht, mit denen wir auf dem glitschigen Boden viel besseren Halt haben. Sie stützen uns bei gefährlicheren Abstiegen.

Ein Mann hält im panamaischen Regenwald eine kleine, dünne und gelbe Schlange.
Immer wieder bin ich erstaunt, wie sehr die beiden mit der hiesigen Natur vertraut sind. Sie machen uns auf gut getarnte Tiere aufmerksam, die ich im Leben nie gesichtet hätte.

Zwei Frauen und zwei Männer machen erschöpft im Regenwald Mittagspause, um sich für die kommende Etappe zu stärken.
Bei einer Mittagspause stärken wir uns mit Tortillas, Frischkäse, Thunfisch und Mais.

Molinar mahnt zum Aufbruch. Schließlich wollen wir nicht erst in der Nacht ankommen. Das Flusswasser erfrischt unsere müden Füße und wäscht den Dreck von unseren Hosen. Schwuppdiwupp sind wir wieder dreckig. So wiederholt sich das ständig: sauber, dreckig, sauber, dreckig…


Der sonst so hilfsbereite Molinar ist eigentlich ein ausgekochtes Schlitzohr. Am Ende meiner Kräfte frage ich ihn – mein Spanisch ist etwas besser – wann wir endlich da sind. „Veinte minutos“, „20 Minuten“, bis wir unser Nachtlager erreichen. Das schaffe ich! Wir laufen und laufen und laufen. Nach einer Stunde – von wegen 20 Minuten – kommen wir endlich an. Ich lerne meine erste Lektion in Panama. Zeitangaben mal drei nehmen und dann kommt es in etwa hin.

Eine zweistöckige Holzhütte mit offenen Holzwänden steht auf einer Wiese.
Unsere Unterkunft für die letzte Nacht am Camino Real.

Die Nacht verbringen wir bei dem Embera-Indianer José. Ich kann es kaum erwarten, in den Fluss zu springen und mich danach in der Hängematte auszuruhen. Pustekuchen! Ein giftiger Skorpion erregt Aufmerksamkeit. Eugenio macht mit seiner Machete kurzen Prozess.


Vonnalooh neigt sich dem Ende zu

Der letzte Tag der „Ich fühle mich wie Indiana Jones“-Tour bricht an. Doch werde ich das Ziel überhaupt erreichen? José macht mir ein beinahe unwiderstehliches Angebot: Ich könne ja bei ihm bleiben, um Spanisch zu lernen. Romantik im Regenwald. „Should I stay oder should I go“ von The Clash klingt in meinen Ohren. Schweren Herzens schlage ich sein Angebot aus.

Fünf Männer und zwei Frauen stehen auf einer Wiese am Camino Real. Im Hintergrund sind einzelne Bäume zu sehen.
José (2. von rechts) möchte mir Spanisch beibringen. Ob da nicht mehr dahinter steckt?

Wir machen uns auf nach Portobelo: In die Stadt des „schönen Hafens“, wie Kolumbus den Ort einst beschrieb, als er 1502 dort von Deck ging. Irene schwärmt noch immer von Josés Vorschlag. Sie sieht mich schon mit neun Kindern über die Wiesen springen. Mit 37 Jahren wird es ziemlich schwer werden, noch so viele Kinder zu bekommen. Sie prophezeit mir drei Geburten mit Trillingen. Holla die Waldfee!


Die kommenden Stunden überqueren wir Dutzende Male den Rio Cascajal. Die flache Strecke ist nach dem Hoch und Runter der vergangenen Tage echt hyggelig. Ich habe mich zu früh gefreut. Es seien nur drei Hügel, sagt Molinar. Ich glaube ihm erneut. Großer Fehler! Es sind gefühlt 20 Berge, die uns von der Hafenstadt trennen. Zweite Lektion: Nicht nur Zeitangaben, sondern jedwede Anzahl mal drei oder vier nehmen.


Endlich! Wir erreichen die Straße und essen in einem kleinen Straßenrestaurant Mittag. Dann fahren wir nach Portobelo. Ich kann mir kaum vorstellen, dass der verschlafene Ort geopolitisch einst so bedeutend war. Von hier wurden Gold, Silber, Perlen oder Gewürze nach Europa verschifft. Die Stadt verlor an Bedeutung, als der Panamakanal gebaut wurde.




Vor der Kirche Iglesia del Cristo Negro machen wir Halt. Dort erwartet uns ein Kuriosum der Katholischen Kirche. In einer Vitrine steht eine schwarze Christusfigur. Ihr zu Ehren findet jedes Jahr am 21. Oktober eine der wichtigsten Prozessionen des Landes statt. Warum wird in Portobelo ein Schwarzer Christus verehrt? Während einer Cholera-Epidemie soll einer Legende zufolge eine Holzkiste in der Bucht aufgetaucht sein. In ihr befand sich eine schwarze Jesusstatue. Es heißt, die Epidemie sei am selben Tag verschwunden.






Nachdem wir Cristo Negro bestaunt haben, laufen wir durch enge Gassen. Kinder spielen Fußball, Einheimische bieten Dschungeltouren an. Der Horizont weitet sich, vor uns liegt die Festungsruine San Jeronimo.

Der Blick auf die Bucht ist atemberaubend. An der Küste recken sich vom Regenwald bewachsene Hügel empor. Weiße Tupfer zieren das azurblaue Karibikwasser. Es sind kleine Segelboote, die sich tänzelnd an den Wellen brechen.


Seit 1980 zählt das im 17. Jahrhundert erbaute Fort San Jeronimo zum UNESCO-Weltkulturerbe. Panama tut viel zu wenig, um diese historische Stätte vor dem Zerfall zu schützen.

Diese Tour hat mich verändert. Als nicht sonderlich passionierte Wanderin und Sportlerin bin über mich selbst hinausgewachsen. Ich habe festgestellt, zu was ich fähig bin - nicht nur körperlich. Nun bin ich bereit für mein nächstes Vonnalooh-Erlebnis!


Nicht so ganz Vonnalooh war mein Tagesausflug zu den Embera vom Alajuela-See. Es war spannend zu sehen, wie sie versuchen, ihre Kultur zu erhalten. Wenn ihr mehr darüber wissen möchtet, klickt einfach hier.


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